Leichtbau in der Zukunft

  • Die Ideenschmiede – das Audi Leichtbauzentrum
    Wer seinen Vorsprung ausbauen will, muss permanent neue Lösungen finden – nach diesem Motto gründete Audi 1994 am Standort Neckarsulm ein eigenes Aluminium-Zentrum für Entwicklung, Produktionsplanung und Qualitätssicherung. 2003 wurde die Einrichtung in Aluminium- und Leichtbauzentrum (ALZ) umbenannt, seit 2009 firmiert sie unter dem gleichen Kürzel als Audi Leichtbauzentrum.


    Das ALZ ist ein Ideenmotor für das Unternehmen, seine Speerspitze auf dem Technikfeld Leichtbau. Die etwa 180 Spezialisten in Neckarsulm untersuchen alle wichtigen Themen der Zukunft – die Werkstoffe und ihre Legierungen, die Verarbeitungs- und Umformtechniken, die Methoden und Prozesse. Das ALZ legt die Grundlage für die Karosserien der Zukunft und zugleich für die Verfahren, die zu ihrer Herstellung notwendig sind.


    Die Erkenntnisse aus dem Audi Leichtbauzentrum, in dem über 180 Fach­leute arbeiten, waren bis heute Grundlage für eine dreistellige Zahl an Patenten in Entwicklung und Produktion. Das Europäische Patentamt hat die Leistungen von Audi in der ASF-Technologie mit der Auszeichnung „European Inventor of the Year 2008” gewürdigt.


    Beim „Euro Car Body Award“, dem weltweit wichtigsten Wettbewerb im Karosseriebau, hat Audi bislang vier Siege geholt – mit dem A8 (2003), dem TT (2006), dem Q5 (2008) und ein zweites Mal mit dem A8 (2010). Damit kann sich die Marke bei diesem Wettbewerb mehr Erfolge an die Fahnen heften als jeder andere Hersteller.


    Mitte 2010 hat Audi in Neckarsulm eine weitere Ideenschmiede eingerichtet – das FVK-Technikum innerhalb des Audi Leichtbau Zentrums. Hier arbeiten etwa 30 feste und rund 20 temporäre Mitarbeiter, Letztere aus der Industrie und von Hochschulen. Das Team beschäftigt sich mit dem Thema Faserver­stärkte Kunststoffe (FVK) – mit CFK-Materialien, aber auch mit Glasfasern und anderen Werkstoffen, die attraktive Potenziale bieten. Das Ziel lautet, aus allen Werkstoffen das Optimum an Gewicht und Funktion, bei gleich­zeitiger Produktionssicherheit herauszuholen.


    Das FVK-Technikum bildet unter einem Dach die vollständige Kette eines Entwicklungsprozesses ab. Seine Mitarbeiter können FVK-Bauteile in verschiedenen Verfahren herstellen und zu Unterbaugruppen und Karosserien zusammenfügen, auch im Zusammenspiel mit Stahl und Aluminium. Die fertigen Komponenten durchlaufen Crashversuche, Dauerläufe und andere Tests, an deren Ende im Idealfall die Freigabe für die Serienproduktion steht. Der komplette Aufbau der dafür notwendigen Anlagentechnologie wird im Lauf des Jahres abgeschlossen sein.

    Die Zukunft hat begonnen – die Weiterentwicklung des Audi Space Frame

    Der Audi Space Frame (ASF) aus Aluminium war bei seinem Debüt vor 17 Jahren eine bahnbrechende Neuerung im Karosseriebau. Jetzt entwickelt Audi die Technologie wieder einen entscheidenden Schritt weiter – zum Multimaterial-Space Frame, der Komponenten aus Aluminium, Stahl und Faser-verstärkten Kunststoffen (FVK) miteinander kombiniert. Die Zukunft hat bereits begonnen, mit den Karosserien des A7 Sportback und des neuen A6.


    Neue Wege bei der Stahlkarosserie
    Fast überall in der Autoindustrie sind Stahlkarosserien heute in der traditionellen Schalenbauweise konzipiert. Anders als beim eleganten Space Frame-Prinzip von Audi lassen sich hier die Aufgaben der einzelnen Bauteile nicht voneinander trennen – viele Bleche müssen Vieles zugleich leisten. Das Potenzial für Gewichtseinsparungen bei der Schalenbauweise ist weitgehend ausgereizt; Audi wird sie nach und nach zugunsten des neuen Multimaterial Space Frame verlassen und sein Knowhow beim Werkstoff Stahl auf neuartige Weise einsetzen.


    Der neue A6 und der A7 Sportback weisen den Weg. Ihre Rohkarosserien bestehen zwar ganz überwiegend aus Stählen verschiedener Festigkeits­klassen, ihr Aufbau folgt jedoch in einigen Bereichen bereits dem Space Frame-Prinzip. Der hintere Längsträger des A6 ist ein Profil aus Stahl mit eingeschweißten Schotten. Beim A8 mit seinem klassischen ASF befindet sich in diesem Bereich ein innen verripptes Aluminium-Gussteil – beide Komponenten ähneln sich in ihren Eigenschaften und auch optisch. Der stählerne Seitenschweller des A6 wird im Rollverfahren hergestellt und auf ganz ähnliche Weise in die Struktur integriert wie das Aluminium-Strangpressprofil beim A8.


    Beim A6 fungiert ein gebauter Knoten aus mehreren hochfesten Stahlteilen als Verbindung zwischen A-Säule, Seitenschweller und Stirnwandquerträger – der A8 nutzt hier zwei Teile aus Aluminium-Druckguss, die im Wesentlichen die gleichen Funktionen erfüllen.


    Und bei den Federbeinaufnahmen im Vorderwagen des A6 handelt es sich bereits um komplexe, besonders präzise gefertigte Aluminium-Gussteile, ähnlich wie bei der Luxuslimousine. Die Lenker des Fahrwerks werden direkt mit ihnen verschraubt, die früher üblichen Lagerböcke entfallen.


    Audi wird diese Entwicklung bei seinen nächsten neuen Modellen konsequent weitertreiben. Viele wichtige Lösungen im neuen Multimaterial-Space Frame sind schon so gut wie serienreif.


    Neue Verbindungstechnologien
    Die MSF-Bauweise erfordert neue Verbindungstechniken, um Stahl, Aluminium und Faser-verstärkte Kunststoffe zu einer festen Einheit zusammenzubringen – Audi entwickelt sie in enger Zusammenarbeit mit seinen Lieferanten. Die selbst furchenden Schrauben, die bei Modellen wie dem TT bereits im Einsatz sind, eignen sich auch zur Verbindung von Aluminium und CFK-Teilen, etwa im Bereich der Längsträger. Eine Kleb­stoffschicht bannt die Gefahr der Kontaktkorrosion, die von den Kohle­stofffaser-verstärkten Materialien ausgeht, zugleich dichtet sie die Verbindung ab.


    Ein weiteres Highend-Verfahren, das Reibelementschweißen, bringt Stahl und Aluminium zusammen. Ein Stahlelement, eine Art Niet, durchdringt mit schneller Rotation und unter hohem Druck ein Aluminiumblech; dabei entsteht eine reibgeschweißte Verbindung zum darunter liegenden Stahl­blech. Viel versprechende Entwicklungen gibt es auch in der Niettechnik und beim Aluminium-Widerstandspunktschweißen.


    Flexibilität beim MSF
    Beim Mix der Werkstoff-Fraktionen im Multimaterial Space Frame genießen die Audi-Entwickler nahezu unbegrenzte Freiheiten. Sie können jede Karosseriearchitektur optimal anhand der Erfordernisse auslegen – an der gewünschten Verteilung der Achslasten, an den Fahrzeug-Stückzahlen oder an der Flexibilität im Karosseriebau, die bei einer großen Modellfamilie notwendig ist. Das Ziel liegt stets darin, mit dem geringsten Materialeinsatz die jeweils optimale Performance zu erzielen.


    Drei Stärken aber werden allen künftigen Karosserien von Audi gemeinsam sein: problemlose Reparatur-Eigenschaften, eine extrem sichere Fahrgast­zelle im Stil eines Schutzkäfigs und ein wegweisend geringes Gewicht. Das MSF-Prinzip bietet schon im ersten Schritt Reduzierungspotenziale von mindestens 10 Prozent gegenüber dem heutigen Stand – bereits beim neuen A6 ist der Aufbau bei gewachsener Breite um 30 Kilogramm leichter geworden. In naher Zukunft werden die Faser-verstärkten Kunststoffe (siehe eigenes Kapitel) und weitere neue Technologien das Gewicht noch stärker senken.


    Leichtbau bedeutet für Audi nicht die starre Fixierung auf einen einzigen Werkstoff, sondern den intelligenten, flexiblen Umgang mit verschiedensten Materialien. Die Marke mit den Vier Ringen wird auch künftig an der Spitze des Wettbewerbs liegen.


    Permanente Innovation – die Werkstoffe
    Aluminium, höchstfeste Stähle, Faser-verstärkte Kunststoffe – Audi kennt alle Karosseriebau-Materialien aus seiner Entwicklungsarbeit im Detail, mit sämtlichen Potenzialen und Nachteilen. Die Ingenieure der Marke treiben den Wettbewerb zwischen ihnen immer weiter, stets auf der Suche nach der noch besseren Lösung. Die Audi-Karosserie der Zukunft wird all diese Highend-Werkstoffe nutzen, je nach Modell in unterschiedlicher Zusammensetzung.


    Kohlestofffaser-verstärkte Kunststoffe
    Besonders attraktive Materialien sind die Faser-verstärkten Kunststoffe (FVK), an ihrer Spitze die Kohlestofffaser-verstärkten Kunststoffe (CFK). Schon heute offeriert Audi, vor allem in der R8-Modellfamilie, viele kleine und große CFK-Komponenten für den Innenraum und die Karosserie, bis hin zu tragenden Strukturelementen, wie die Seitenwände und der Verdeckkasten-Deckel des R8 Spyder.


    In der Fahrzeugstruktur will Audi künftig CFK-Komponenten einsetzen, die im sehr viel effizienteren RTM-Prozess hergestellt werden (RTM: resin transfer moulding). Hier werden die trockenen Fasergewebe zunächst drapiert (umgeformt) und anschließend in geschlossene, beheizte Werkzeuge eingelegt und Kunstharz mit hohem Druck injiziert. Dadurch werden die Gewebe vollständig durchtränkt und unter Druck und Temperatur ausgehärtet. Die Experten der Technologieentwicklung Produktion haben sowohl für die Drapierung als auch die Injektion spezielles Know How erarbeitet, um auch diese komplexen Vorgänge virtuell abbilden zu können und somit den Produktionsprozess schon im Vorfeld zu optimieren. Die neuen CFK-Teile sollen Stahl- und Aluminiumbauteile verstärken oder auch als eigenständige Komponenten in der Struktur fungieren.


    Kohlefaser-verstärkter Kunststoff ist nicht nur etwa 60 Prozent leichter als Stahl – er ist ein Designer-Material, bei dem der Konstrukteur viele Bauteil-Eigenschaften frei festlegen kann. CFK-Komponenten erzielen ihre beste Performance dann, wenn sie für die Aufnahme von Kräften konzipiert sind, die aus einer einzigen Richtung kommen. Hier kann man die einzelnen Fasergewebe, die in der Kunstharz-Matrix übereinander liegen, identisch ausrichten und dadurch höchste Festigkeit erreichen.


    Zu Erprobungszwecken hat Audi bei einem R8 den kompletten Dachbogen mitsamt den Säulen aus CFK-Material aufgebaut, das weitgehend unidirektional ausgerichtet ist. Die Konstruktion hat bislang alle Überschlag-Versuche ohne jede Verformung absolviert.


    Ein weiteres mögliches Einsatzfeld für Kohlestofffaser-verstärkte Kunst­stoffe sind die Längsträger vor oder hinter der Fahrgastzelle. Die Träger, die Audi entwickelt, weisen exzellente Crash-Eigenschaften auf. Bei einem frontalen Aufprall mit definierter Energie bleiben sie im hinteren Bereich frei von Brüchen oder Verformungen. Im vorderen Bereich hingegen spleißen sich ihre zahllosen Einzelfasern zu allen Seiten hin auf wie die Blätter einer Blüte auf („crushing“) – diese Verformung und Ablösung von der Matrix vernichtet sehr viel Energie. Sogenannte Trigger-Kanten am vorderen Ende des Bauteils sorgen dafür, dass der Stoß möglichst optimal eingeleitet wird.


    Die Experten im Audi Leichtbauzentrum (ALZ) haben den Crushing-Ablauf zunächst am Rechner und dann im Versuch durchgespielt. Mit seinem speziellen Knowhow auf diesem Feld nimmt Audi eine Führungsrolle in der Automobilindustrie ein.


    Parallel dazu arbeiten die Audi-Fachleute an neuartigen CFK-Struktur­elementen – die so genannten OLAS-Wellen (OLAS: oscillating laminated absorbing structures) erinnern optisch an wellenförmige Dachziegel. Durch dieses Design können sie auf kurzen Wegen extrem große Energiemengen aufnehmen. In der Fahrzeugstruktur können die OLAS-Wellen mittelfristig die heute üblichen Träger ersetzen.


    CFK ist nicht der einzige Faser-verstärkte Kunststoff, mit dem sich Audi beschäftigt. Beim aktuellen A8 bildet ein so genanntes Organo-Blech den unteren Querträger des Frontends – es handelt sich um eine Matrix aus Glasfaser-verstärktem Kunststoff (GFK), die durch eingelegte Aluminium­bleche verstärkt wird. Mit 5,4 Kilogramm Gewicht unterbietet sie ein vergleichbares Bauteil aus Aluminium ca. 100 Gramm. Für den R8 GT liefert Audi auf Wunsch Sitzschalen mit Chassis aus reinem GFK – sie sind 31,5 Kilogramm leichter als die Seriensitze.


    Besonders interessant wird der preiswerte Werkstoff GFK dann, wenn er in einer CFK-Matrix eine oder mehrere Lagen aus Kohlestofffasern ersetzt. Alternativ kann man hier auch mit Lagen aus Aramid arbeiten, wie Audi sie bei seinen Sonderschutz-Fahrzeugen nutzt – mit ihrer Zähigkeit verhindern sie, dass CFK-Komponenten bei einem Crash splittern. Naturfasern, etwa aus Hanf, eignen sich ebenfalls für den Einsatz in der Matrix; sie dämmen Geräusche besonders gut.


    Aluminium
    Auch das klassische Aluminium birgt noch viele Möglichkeiten. Gemeinsam mit seinen Lieferanten arbeitet Audi daran, bei allen Halbzeugen die Festig­keit und die Deformationseigenschaften weiter zu steigern. Neue Guss-Legierungen, die dank erhöhter Festigkeit geringere Wandstärken erlauben, stehen kurz vor der Serienreife. Sie erzielen mehr als 500 Megapascal Festigkeit – ein Sprung von 60Prozent.


    Eine weitere Stellschraube ist der Feinschliff an der Geometrie der Bauteile. Als Schweller kann entweder ein einfaches, kastenförmiges Strangpress­profil dienen oder ein Topologie-optimiertes Bauteil mit gleichen Außen­abmessungen. In seinem Inneren ist ein Rohr eingegossen, Stege verbinden es mit den Wänden. Dank der geringeren Wandstärken bleibt das Gewicht gleich, aber die Energieaufnahme im Crashfall verbessert sich um 50 Prozent.


    Der dritte Weg läuft über neue Verbindungstechniken. Aluminiumprofile etwa lassen sich per Rührreibschweißen miteinander verbinden; die Naht ist extrem fest und frei von Verzug. Wie die Topologie-optimierten Teile zeichnen sich auch die „gebauten“ Profile durch komplexe Geometrien aus; bei der B-Säule des R8 Spyder etwa senken sie das Gewicht um insgesamt 0,6 Kilogramm. Im nächsten Schritt wird Audi auch Aluminiumbleche und -profile, die unterschiedlich legiert sind, per Rührreibschweißen miteinander verbinden.


    Stahl und Magnesium
    Im Karosseriebau liefern sich viele Materialien ein Wettrennen, darunter auch Stahl. Bei den formgehärteten Stählen werden neue Legierungen bald noch höhere Festigkeiten und damit geringere Gewichte ermöglichen. Auch beim Magnesium sieht Audi attraktive Potenziale. Schon heute kommt das leichte Material, dessen Dichte nur 1,8 Gramm pro Kubikzentimeter beträgt, an vielen Stellen zum Einsatz.


    Beispiele dafür sind die Mitteltunnelkonsole und der Getriebequerträger beim A8, der Motorrahmen des R8 oder Motor-Anbauteile wie Saugrohre. Auch als Domstrebe im Motorraum oder unmittelbar am Motor – etwa beim Deckel des Nockenwellenkastens – kommt Magnesium in Betracht.


    Quelle: Audi

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