Die Krisensitzung, zu der die Topleute der Marke VW am Wochenende zusammenkamen, wurde schnell zu einer Strategiesitzung. Und die entscheidende Frage dort war: Welche Autos brauchen wir, damit keiner mehr auch nur in die Versuchung kommt, bei Abgastests zu tricksen? Die einfache Antwort lautet: VW muss mehr Elektroautos bauen, viel mehr Elektroautos.
Fahrzeuge mit Batterieantrieb, Hybride mit zwei Motoren, Modelle, die mit Erdgas oder Wasserstoff fahren. Nur so können die Wolfsburger in Zukunft die scharfen CO2-Grenzwerte in der Europäischen Union (EU) und die noch schärferen Obergrenzen für den Stickoxid-Ausstoß in den USA gleichermaßen einhalten.
Also stellt VW nun – im Vergleich zur Konkurrenz – reichlich spät die Weichen voll in Richtung alternative Antriebe. Bei der Entwicklung neuer Fahrzeuge "stehen Plug-In-Hybride mit nochmals größerer Reichweite, Großserien-Elektrofahrzeuge mit einem Radius von bis zu 300 Kilometern im Mittelpunkt", teilte VW mit. Außerdem werde die Arbeit an effizienteren Benzin- und Erdgasantrieben sowie zuletzt auch an sparsameren und sauberen Dieseln vorangetrieben.
Ganz tot ist der Diesel also noch nicht. Aber auf lange Sicht schwindet seine Bedeutung in der weltweiten Autoindustrie. Das zeigen auch herstellerunabhängige Studien. "Wir setzen schon weiter auf den Diesel, auch in den USA", sagt ein VW-Sprecher. An einen Rückzug der Stammmarke in den Vereinigten Staaten, so wie sie von einigen Experten gefordert wurde, sei nicht zu denken.
Der Diesel ist bei Kleinwagen grundsätzlich ein Wettbewerbsnachteil, weil der Motor teurer als ein Benziner ist. Gerade die deutsche Autoindustrie setzte dennoch stark auf die Selbstzünder, weil sie weniger Sprit verbrauchen als Benziner. Mit ihnen lassen sich daher die CO2-Obergrenzen leichter einhalten.
Und zum Beweis, dass sie es ernst meinen, haben die Wolfsburger die Pläne für den neuen Phaeton, das Luxusmodell der Marke VW, gebremst. Der sollte spätestens Anfang 2017 vom Band laufen. Bislang gab es ihn als Benziner, am erfolgreichsten war allerdings die Variante mit Turbodiesel-Motor. Nun soll es den Phaeton nur noch als Auto mit Elektroantrieb geben – und damit als Herausforderer zu den E-Fahrzeugen von Tesla oder BMW.
Experten sagen, dass es weltweit einen Trend weg vom Diesel gibt. Vor allem bei kleinen Fahrzeugen. Angesichts der kritischen Untersuchung von Diesel-Fahrzeuge als Folge des VW-Abgas-Skandals sind nach Ansicht von Autofachleuten des Beratungsunternehmens Roland Berger zwei Szenarien möglich: "Der Diesel als Antriebsart verschwindet ganz oder er überlebt nach einem zeitweisen Schock."
In der Studie "Diesel-Debatte – zeitweiser Schock oder Paradigmenwechsel", die der "Welt" vorab vorliegt, heißt es: "Bei den preissensibleren, kleineren Fahrzeugklassen wird der Diesel auf Dauer nicht mehr kosteneffizient sein und stufenweise an Bedeutung verlieren. Aber er wird eine Stütze bei Oberklassenfahrzeugen bleiben." Vor diesem Hintergrund "wird der Marktanteil von Diesel-Fahrzeugen in Europa in den nächsten Jahren abnehmen".