Wirtschaftsminister Mitterlehner im Interview - die aktuelle Lage der österreichischen Automobilindustrie

Der österreichische Wirtschaftsminister Dr. Reinhold Mitterlehner zieht im Pressegespräch auf der Vienna Autoshow Resümee über das Jahr der Automobilindustrie 2012.

Frage: "Hr. Mitterlehner wie beurteilen sie die aktuelle Lage Österreichs Automotive Industrie?"

Mitterlehner: "Österreichs Automotive Industrie hat die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise trotz schmerzhafter Einbrüche genützt, um sich mit innovativen Produkten und neuen Strategien krisenfester auszustellen. Als gefragter Forschungs- und Entwicklungsstandort für internationale Auftraggeber wie AUDI, VW oder BMW gilt Österreich heute als wichtiger Motor der europäischen Automotive-Industrie. Die Exportquote von rund 90 Prozent unterstreicht die hohe Wettbewerbsfähigkeit. Aktuell sind in dieser Schlüsselbrange für den Standort Österreich rund 700 Unternehmen direkt tätig, die zuletzt jährlich 21,5 Mrd. EUR umgesetzt haben. Inkl. der vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereiche umfasst der Automotive Sektor 370000 Beschäftigte, was zwölf Prozent der in Österreich unselbstständig Beschäftigten entspricht. Somit hängt jeder neunte Arbeitsplatz direkt oder indirekt vom Automobil ab.

Die PKW-Produktion in Österreich hat mit 130343 Fahrzeugen schon im Jahr 2011 wieder das Vorkrisenniveau erreicht, wobei Österreich insbesondere als Zulieferland gut aufgestellt ist. Im Fahrzeughandel hat sich die Zahl der Neuzulassungen nach dem absoluten Rekordjahr 2011 mit 356145 Autos im Jahr 2012 bei 336010 eingependelt. Das sind immer noch um rund 36000 Zulassungen mehr als im Vorkrisenjahr 2007. Zum Vergleich: In den EU-27 gab es im Zeitraum 2007 bis 2011 einen Rückgang von 15,5%."

Frage: "Ist es Ihrer Meinung nach notwendig einer weiteren Krise gegenzusteuern?"

Mitterlehner: "Obwohl die aktuelle Situation für Europas Automotive Industrie nicht mit der Krise 2008/09 vergleichbar ist, müssen die in der Krise eingeleiteten Umstrukturierungen weiter forciert werden, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Aufbau von Überkapazitäten in der Vergangenheit, die Probleme in den Hauptmärkten Europas wie Frankreich, Italien und Spanien sowie eine weltweite unsichere konjunkturelle Situation und der steigende globale Wettbewerb stellen die gesamte Automobilbranche vor große Herausforderungen. So wird die weltweite Nachfrage neben der Markterholung in den USA vor allem von Schwellenländern wie China getrieben. Laut einer Prognose der deutschen Analysten von IHS soll der Absatz der Fahrzeuge in China im Jahr 2013 um 8,8% auf 20,5 Mio. Fahrzeuge wachsen. China ist übrigens mittlerweile zum größten Automarkt der Welt aufgestiegen."

Frage: "Wo sollten Ihrer Meinung nach die Schwerpunkte aktuell gesetzt werden?"

Mitterlehner: "Um den technischen Vorsprung gegenüber der internationalen Konkurrenz weiterhin verteidigen zu können, muss die Automobilindustrie neben der Diversifizierung der Absatzmärkte vor allem auf Forschung und Entwicklung setzen. Umso wichtiger sind Maßnahmen wie der EU-Aktionsplan Cars 2020, an dem Österreichs Wirtschaftsministerium im Rahmen einer High-Level-Group federführend mitgearbeitet hat. Demnach sollen Zuschüsse aus dem geplanten 80 Mrd. EUR umfassenden "Horizon 2020"-Rahmenprogramm für Forschungs- und Innovationsförderung sowie aus dem "COSME"-Programm zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und KMU auch für die Automotive Industrie offen stehen. Durch die zusätzlichen EU-Förderchancen können noch mehr Innovationen entwickelt und finanziert werden, wovon gerade Österreichs starke Zulieferindustrie besonders profitieren kann, Mit einer F&E-Quote von zehn Prozent zählt diese schon jetzt zu den innovativsten Branchen in Österreich.

Gemäß dem EU-Aktionsplan wird auch die Zusammenarbeit mit der Europäischen Investitionsbank (EIB) forciert, die mit ihrem um 10 Mrd. EUR aufgestockten Kapital schwerpunktmäßig die Entwicklung sauberer und energieeffizienter Fahrzeuge erleichtern soll. Damit wird der Zugang zu Krediten für entsprechende Produkte erleichtert. In diese Richtung gehen auch die wesentlichen Trends im Automobilbau. So hat sich der Marktanteil effizienterer Fahrzeuge mit einem CO2-Ausstoß von unter 140g/km in Europa in den vergangenen 10 Jahren von 23% auf einen Marktanteil von nahezu zwei Drittel verdreifacht. Die Entwicklung noch effizienterer herkömmlicher Verbrennungsmotoren und die Optimierung der Leichtbauweise werden auch in den nächsten Jahren dominieren, der weitere Trend geht in Richtung einer schrittweisen Elektrifizierung über Hybrid-Antriebe oder Elektro-Autos. Auch Alternativen wie Erdgas oder Wasserstoff werden eine zunehmende Rolle spielen."

Frage: "Worin sehen Sie Chancen für Österreich in diesem schwierigen Umfeld und schwer umkämpften Markt?"

Mitterlehner: "Der weltweite Trend hin zu verbrauchsärmeren, effizienteren und umweltfreundlicheren Autos bringt gerade für den Standort Österreich große Chancen. Auto-Erzeugnisse "Made in Austria" wie z.B. effiziente Hochleistungsmotoren zählen im weltweiten Vergleich schon jetzt zum Spitzenfeld. In der Entwicklung innovativer alternativer Antriebe hat sich Österreich als Land der Spezialitäten etabliert. Eng vernetzt forschen große Unternehmen mit Universitäten und innovativen Klein- und Mittelbetrieben an neuen Lösungen für mehr Sicherheit, Komfort und Umweltfreundliche. Gute Beispiele dafür sind u.a. mit Unterstützung des Wirtschaftsministeriums von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) geförderten Kompetenzzentren für die Fahrzeuge der Zukunft. Das K2-Zentrum "Das virtuelle Fahrzeug" arbeitet mit 200 Beschäftigten sowie mehr als 100 Partnern aus Industrie und Forschung zusammen, um den Bau leistbarer, sicherer und umweltfreundlicher Fahrzeuge zu unterstützen. In der virtuellen Gesamtfahrzeugentwicklung, die deutliche Kostenersparnisse ermöglicht, ist das Grazer Zentrum ein wichtiger F&E-Partner führender Automobilhersteller wie Audi, Porsche, VW, Daimler, Renault oder BMW.

Frage: "Welchen Stellenwert hat Ihrer Meinung nach die Vienna Autoshow?"

Mitterlehner: "Grundvoraussetzung, um neue Technologien auf die Straße zu bringen, ist die Nachfrage der Konsumenten. Gerade Publikumsmessen wie die "Vienna Autoshow" wecken als Werbe- und Darstellungsplattform das Interesse an neuen technischen Lösungen. Daneben bietet die Messe zahlreiche Ausblicke auf die Mobilität von morgen. Die Zukunft der Mobilität beginnt hier."

Fazit: Österreichs Automobilindustrie muss auf noch mehr Innovationen und neue Arbeitsmärkte setzen, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben und ihren technologischen Vorsprung zu sichern. Daher sind 2013 mehr Forschungs- und Investitionsförderungen für die Mobilität der Zukunft notwendig.