Die FIA WEC betrtt in Mexiko Neuland

  • FIA WEC erstmals in Mexiko-Stadt
  • Höchstgelegener Lauf auf 2.300 Metern über dem Meeresspiegel
  • Audi-Piloten di Grassi/Duval/Jarvis als Tabellenzweite am Start

Einen Monat vor der Werkeröffnung startet Audi in Mexiko in die entscheidende Phase der FIA-Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC. Von September bis November stehen fünf von neun Läufen der Rennserie im Kalender. Die Welttour beginnt mit dem erstmals zur WM zählenden Auftritt in Mexiko-Stadt am 3. September. Für Fahrer und Ingenieure bedeutet vor allem die Höhenlage der 4,304 Kilometer langen Strecke eine große Umstellung: In mehr als 2.000 Metern über dem Meeresspiegel wird die Luft buchstäblich dünner.

„Wir erwarten, dass wir erneut wettbewerbsfähig sind“, setzt sich Audi-Motorsportchef Dr. Wolfgang Ullrich zum Ziel. „Zuletzt am Nürburgring haben wir es zweimal aufs Podium geschafft. Nur eine Gelbphase hat uns zeitlich ungünstig erwischt, sonst hätten wir um den Sieg gekämpft.“ Bestes Fahrertrio von Audi waren in der Eifel Lucas di Grassi/Loïc Duval/Oliver Jarvis, die den zweiten Platz belegt haben. Damit verkürzten die Tabellenzweiten ihren Rückstand auf die Spitze auf 33 Punkte. 130 Zähler werden bis zum Finale noch vergeben. Auch das Schwesterauto aus dem Audi Sport Team Joest hat beim deutschen WM-Lauf zeitweise geführt. Marcel Fässler/André Lotterer/Benoît Tréluyer wollen in der mexikanischen Hauptstadt mit ihren Teamkollegen für Audi die maximale Punktzahl erreichen. Die Marke mit den Vier Ringen liegt auf Platz zwei der Herstellerwertung.

Mit dem Porsche 919 Hybrid ins Baseball-Stadion

Der nächste Einsatz für den Le-Mans-Sieger Porsche 919 Hybrid stellt das Team vor ganz neue Herausforderungen. Am 3. September gibt die FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) ihr Debüt auf dem Grand-Prix-Kurs von Mexiko-Stadt. Das Sechsstundenrennen in der Millionen-Metropole ist der fünfte von neun WM-Läufen 2016. Die 4,303 Kilometer lange Strecke liegt 2.250 Meter über dem Meeresspiegel. Das bedeutet dünne Luft für Mensch und Maschine. Zudem ist der September einer der regenreichsten Monate in der Region. Am Ende jeder Runde auf dem „Autódromo Hermanos Rodríguez“ tauchen die Fahrer in einer Rechts-Links-Kombination in ein 26.000 Zuschauer fassendes Baseball-Stadion ein: Fiesta Mexicana auf steil aufragenden Tribünen.

Nach Siegen in Silverstone, in Le Mans und auf dem Nürburgring führt das Porsche Team in der Weltmeisterschaft der Konstrukteure mit 164 Punkten vor Audi (129) und Toyota (97). In der Fahrer-WM ist das Trio Romain Dumas (FR), Neel Jani (CH) und Marc Lieb (DE) Spitzenreiter. Die Le-Mans-Sieger haben 106 Punkte gesammelt, das zweitplatzierte Audi-Trio hat 73 Zähler. Die zweite Porsche-Werksfahrer-Crew – Timo Bernhard (DE), Brendon Hartley (NZ) und Mark Webber (AU) – rangiert mit 28,5 Punkten auf dem achten Tabellenplatz. Die amtierenden Weltmeister waren in den ersten drei WM-Läufen glücklos, meldeten sich mit ihrem Sieg beim Sechsstundenrennen auf dem Nürburgring im Juli aber eindrucksvoll zurück.

32 Rennwagen sind für den Höhenflug zwischen der Sierre Nevada und den Zwillingsvulkanen Popocatépetl und Iztaccíhuati gemeldet. Das Feld der Prototypen und Sportwagen ist in vier Klassen eingeteilt. Der Porsche 919 Hybrid startet in der Topkategorie der Klasse 1 Le-Mans-Prototypen (LMP1). In der LMP2-Klasse sind auch vier Mexikaner mit von der Partie: die Brüder Ricardo und Roberto González jr. sowie Alfonso Diaz Guerra und Luis Diaz.

Der in Weissach entwickelte Porsche 919 Hybrid bringt es auf eine Systemleistung von gut 900 PS (662 kW). Sein Verbrennungsmotor ist ein wegweisendes Downsizing-Triebwerk: Als kompakter Zweiliter-Vierzylinder treibt der aufgeladene Benziner die Hinterachse mit knapp 500 PS (368 kW) an. Zwei unterschiedliche Energierückgewinnungssysteme – Bremsenergie von der Vorderachse und Abgasenergie – speisen über eine Lithium-Ionen-Batterie einen Elektromotor, der auf Abruf die Vorderachse mit zusätzlich über 400 PS (294 kW) antreibt. Auf dem Nürburgring hat sich das neue Aerodynamik-Paket für hohen Anpressdruck bewährt. Es ist die dritte Aero-Konfiguration für den 919 in dieser Saison und damit die letzte. Im Sinne der Kostenkontrolle erlaubt das Reglement maximal drei Designs. Allerdings bleibt ein Abstimmungsspielraum für die Anpassung an verschiedene Rennstrecken und klimatische Bedingungen, außerdem gestattet das Regelwerk in Mexiko aus Sicherheitsgründen zusätzliche Maßnahmen für die Kühlsysteme.

„Das Rennen in Mexiko-Stadt ist fahrerisch, technisch und logistisch eine große Herausforderung“, sagt Fritz Enzinger, Leiter LMP1. „Aber wir freuen uns sehr über diese neue Destination im WM-Kalender. Denn dieser Kurs atmet Motorsport-Geschichte, und die Erfolge der Brüder Pedro und Ricardo Rodríguez, nach denen die Strecke benannt ist, bleiben in der Porsche-Rennsportgeschichte unvergesslich. Herausragend war sicher der Gewinn der Sportwagen-Weltmeisterschaft 1970 von Pedro Rodríguez auf dem Porsche 917. Für unser Team ist es noch nicht allzu lange her, dass jeder Einsatz Neuland bedeutete. Wir sind ja erst im dritten Jahr. Ich habe volles Vertrauen in unsere Mannschaft, dass wir auch all die besonderen Aufgaben dieser Höhenlage lösen können und unserem Ziel der Titelverteidigung wieder ein Stück näherkommen.“

Teamchef Andreas Seidl erklärt: „Bei der technischen Vorbereitung auf den Einsatz in Mexiko spielen eine ganze Reihe außergewöhnlicher Faktoren eine Rolle. Da ist zunächst die Höhenlage. Im Vergleich zu herkömmlichen Saugmotoren verlieren wir mit dem Turbo zwar weniger Leistung, aber die Kühlung ist in der dünneren, sauerstoffarmen Höhenluft ein Thema. Das gilt sowohl für die Antriebseinheit als auch für die Bremsen. Außerdem ist der Luftwiderstand geringer. Deshalb wird es schwierig, in den Kurven den Anpressdruck darzustellen, den man gerne hätte, aber auf der 1,2 Kilometer langen Geraden werden wir hohe Topspeeds sehen. Die Strecke hat einen hohen Volllastanteil, und das Grip-Level wird sich kontinuierlich nach oben verändern. Es sei denn, es regnet – und auch damit ist zu rechnen.“

Stimmen vor dem Rennen:

Fahrer Porsche 919 Hybrid Startnummer 1
Timo Bernhard (35, Bruchmühlbach-Miesau): „Wenn man zum ersten Mal auf einer Rennstrecke fährt, ist das Layout zwar schnell gelernt, aber es wirklich optimal zu lesen und in die perfekte Linie umzusetzen, dauert länger. Man muss schnell lernen, denn die Trainings teilen wir uns zu dritt. Sich erst im Rennen ans Limit heranzutasten, ist bei dieser Leistungsdichte keine Option. Ich weiß noch, wie ich die Formel-1-Rennen auf dieser Strecke in den frühen 90er Jahren im Fernsehen angeschaut habe. Die Fan-Kulisse war immer toll. Für Brendon, Mark und mich war der Sieg auf dem Nürburgring wie eine Erlösung. Wir liegen in der Fahrerwertung weit zurück und fokussieren uns jetzt auf gute Einzelresultate und die Titelverteidigung von Porsche in der Hersteller-WM.“

Brendon Hartley (26, Neuseeland): „Wir drei vom Auto Nummer 1 waren die ganze Saison schnell, und auf dem Nürburgring hat endlich alles zusammengepasst. Timo, Mark und ich werden alles geben, um in Mexiko wieder ganz oben auf dem Podium zu landen. Nach den Ferien mit einem Trip nach Bali kann ich es kaum noch abwarten, wieder ins Auto zu steigen. Eine neue Rennstrecke kennenzulernen, ist eine sehr schöne Herausforderung. Ich war noch nie in Mexiko, aber alles, was ich bislang von der Strecke gesehen habe, gefällt mir, und die Menschen mögen unseren Sport anscheinend sehr. Ein Rennen in so großer Höhe wird eine interessante Erfahrung. Ich werde mir etwas Zeit zum Akklimatisieren nehmen.“

Mark Webber (40, Australien): „Wir haben auf dem Nürburgring viel über unser neues Aerodynamik-Paket für viel Abtrieb gelernt. Es hat sehr gut funktioniert. Der Kurs in Mexiko-Stadt hat nun ein völlig anderes Layout. In der Höhe wird auch der Vergleich zwischen den Diesel-Motoren und unserem Benziner interessant. Wir rechnen mit einem sehr niedrigen Grip-Niveau, und wir werden sehen, wer mit wie viel Abtrieb fahren kann. Ich habe den Eindruck, dass in Lateinamerika eine ganz besondere Liebe für Sportwagen herrscht. Ich war dort im vergangenen Dezember bei Eröffnungen von mehreren Porsche Zentren und ordentlich beeindruckt von der allgemeinen Begeisterung. Ich rechne mit vielen Zuschauern und denke, die Fans werden es wirklich genießen, unsere Autos zu sehen.“

Fahrer Porsche 919 Hybrid Startnummer 2
Romain Dumas (38, Frankreich): „Ich war bisher ein Mal in Mexiko-Stadt. Es ist lange her, ich fuhr dort 2003 mein einziges Formel-Atlantik-Rennen. Es war alles ein bisschen chaotisch und es gab tolle Fans, viele enthusiastische Menschen. Jetzt freue ich mich darauf, die neue Strecke zu entdecken. Erst im Simulator und dann wahrhaftig. Ich liebe Neuland. Die Höhe wird eine große Herausforderung für den Motor, die Kühlung, das Abtriebsniveau und für uns Fahrer. Niemand hat bislang einen LMP1 auf 2.000 Meter über dem Meeresspiegel gefahren. Mit Blick auf die WM denke ich, dass unsere Konkurrenz nach Le Mans standfest geworden ist. Wenn wir den Titel gewinnen wollen, müssen wir clever sein und saubere Rennen fahren.“

Neel Jani (32, Schweiz): „Ich war 2007 mit der Champ-Car-Meisterschaft und 2008 mit der A1GP-Serie in Mexico City. Das war zwar noch die alte Streckenführung, aber ich habe schon ein Gefühl für den Austragungsort bekommen. Wir hatten viele Zuschauer und eine gute Stimmung. Der Streckenbelag ist jetzt sicher besser als damals. Ich gehe oft zum Ski-Langlauf oder anderen Sport in die Berge und bin somit die Höhe gewohnt, aber ich werde mich zusammen mit meinem Trainer trotzdem speziell auf Mexiko vorbereiten. Immerhin geht es für uns um die WM und wir wollen ganz sicher keine Punkte mehr liegenlassen.“

Marc Lieb (36, Ludwigsburg): „Es ist immer superspannend, eine neue Rennstrecke zu entdecken. Das war bei mir zuletzt 2013 in Austin der Fall. Ich versuche vorher, möglichst viele Informationen zu sammeln. Die Formel-1-Onboard-Aufnahmen im Internet passen bezüglich Einlenkpunkten und Linienwahl sehr gut für unseren Prototyp, und wir haben in Weissach auch einen top Simulator. Die Strecke gefällt mir sehr gut. Ich bin gespannt, wie sich der 919 und mein eigener Körper in der Höhe verhalten. Die dünne Luft hat natürlich auch Einfluss auf die Aerodynamik und somit auf den Reifenverschleiß. Wie sich der tatsächlich entwickelt, können wir nicht hundertprozentig simulieren. Wir hatten jetzt vier WM-Läufe vor großem Publikum, und ich wünsche mir sehr, dass am Wochenende viele der berühmten mexikanischen Fans zu unserem Rennen kommen.“

Zahlen und Fakten:

Das Sechsstundenrennen in Mexiko-Stadt ist der fünfte von neun Läufen zur FIA WEC 2016 und startet am 3. September um 13:30 Uhr Ortszeit (20:30 Uhr in Deutschland).

Eine kostenlose und englisch kommentierte Live-Übertragung des gesamten Rennens bietet Eurosport online unter: http://tinyurl.com/jxeb5j7

Am Sonntag, dem 4. September, bietet der TV-Sender Eurosport 1 eine Zusammenfassung von 09:30-10:45 Uhr.

Die offizielle FIA WEC App ist in der Basis kostenlos und bietet gegen Gebühr ebenfalls einen Live-Stream des kompletten Rennens. Live-Features wie Onboard-Kameras, Zeitnahme und GPS-Verfolgung sind außerdem in der kostenlosen Porsche Motorsport App sowie auf porsche.com/fiawec integriert.

Eine Runde auf dem 2015 nach einem Umbau erstmals wieder von der Formel 1 befahrenen Kurs misst 4,303 Kilometer und und hat 17 Kurven.

Bei normalem Rennbetrieb (ohne Safety-Car-Phase) muss der Porsche 919 Hybrid alle 40 Runden tanken.

Betankung und Reifenwechsel dürfen nur nacheinander durchgeführt werden. Beim Radwechsel dürfen nur vier Mechaniker gleichzeitig arbeiten, und es darf nur ein Schlagschrauber eingesetzt werden. Der Boxenstopp dauert also viel länger als beispielsweise in der Formel 1.

Ein Fahrerwechsel wird normalerweise nur vorgenommen, wenn auch neue Reifen gebraucht werden.

Ein Satz Michelin-Trockenreifen sollte idealerweise zwei Tankfüllungen halten.

Das Effizienzreglement der WEC begrenzt die Energiemenge, die der 919 pro Runde einsetzen darf. In Mexiko sind es 3,916 Megajoule elektrische Energie aus den Rückgewinnungssystemen und 1,101 Kilogramm bzw. 1,506 Liter Benzin.

Die Reifenauswahl umfasst drei unterschiedlich harte Mischungen Slicks für trockene Strecke, einen ebenfalls profillosen Hybrid-Reifen mit weicherer Lauffläche für gemischte Bedingungen sowie Regenreifen. Es stehen 8,5 Sätze Trockenreifen pro Fahrzeug für Qualifying und Rennen zur Verfügung.

Alle Punktestände: http://www.fiawec.com/courses/classification.html
Alle Ergebnisse: http://fiawec.alkamelsystems.com